Hauptsache Musik



“Diese Welt ist nicht gerecht zu Dir und sie nimmt Dich nicht in ihren Arm…” singen auf dem neuen Album der Band MUTTER die Musiker im Chor und der Satz passt auch treffend auf die eigene lange Geschichte. In Antonia Ganzs Dokumentarfilm “Wir waren niemals hier” über die Berliner Band (aus dem Jahre 2005) gibt es eine aufschlussreiche Szene, in der die Musiker laut darüber nachdenken, warum der Erfolg seit Jahren auf sich warten lässt. Dabei haben es doch einige Formationen, die ebenfalls aus dem Dunstkreis der “Genialen Dilletanten” und aus dem frühen Berliner Punk-Kontext entstanden, mittlerweile längst zu großem Achtungs- und auch kommerziellen Erfolg gebracht. MUTTER war jedoch von Anfang an zu direkt, zu sehr eins-zu-eins, um es wie die verkünstelten Neubauten in den Achzigern bereits in den Feuilleton großer Zeitungen zu schaffen, andererseits auch immer schon zu störrisch, zu abgründig und disparat, um einen bravokompatiblen Weg wie die Ärzte (um gleich das bekannteste Beispiel zu nennen) überhaupt gehen zu können. Auch als Anfang der Neunzigerjahre deutsch-singende Indie-Bands wieder an Popularität gewannen blieb MUTTER Underground, ein Insider-Tip, obwohl wichtige Protagonisten der “Hamburger Schule” (Jochen Distelmeyer, Rocko Schamoni, Die Zitronen, etc.) bekennende Fans der Berliner Band waren. So beweist MUTTER seit mittlerweile über zwanzig Jahren einen bewundernswert-langen Atem und diese Sturheit muss man einfach lieben.

Während der Filmarbeiten erwischte Antonia Ganz die Band dennoch in einer schwierigen Phase. Langjährige Bandmitglieder und Freunde stiegen aus, die Besetzung veränderte sich, die Tour lief nicht gut,  MUTTER wirkte angeschlagen, erschöpft, kam ins Schlingern. Aber das alles ist jetzt Jahre her und ob man die lange Vorgeschichte nun kennt oder nicht ist letztlich egal: das neue MUTTER-Album “Trinken Singen Schiessen” ist einfach nur großartig. Die Band klingt so gefestigt wie schon lang nicht mehr, jeder Gitarrenschlag scheint richtig und jede Pause gekonnt gesetzt, Spannung lädt sich auf, ein wunderbar brachialer Wall-Of-Sound, Gitarren, Bass, Synthie und Schlagzeug untermalen mal schleppend, mal elegisch den unverkennbaren Gesang Max Müllers. Selten war die Band in ihrem Sound der frühen New Yorker No-Wave-Band The Swans so nah wie heute. Max Müllers Texte treffen ohne Ironie, einfach und ungebrochen ins Schwarze und ein Gedicht des schweizer Künstlers Dieter Roth wird derart hingebungsvoll vertont (oder besser einverleibt), dass es sich nahtlos einreiht und zu einem perfekten Song der Band wird. Ganz große Kunst!

Die Berliner Band MUTTER spielt am Samstag, den 09. Oktober, im Münchner 59:1. Bis jetzt hat es zwar noch nicht mit einem Auftritt bei uns auf dem PUCH-Festival geklappt, aber wir hoffen auf die nächsten Jahre. Wir lieben diese Band!

Mutter